Fall des Monats

Verzögerte Diagnose und unangemessene Therapie

Gedanken zur Analyse / Ursachen:

Der ausgewählte Fall des Monats, mit der Fallnummer 2023- 228, enthält sehr viele wichtige Informationen. Vielen Dank an den Berichtenden für diesen Fallbericht.

Es handelt sich hier um einen sehr typischen Fall, wie wir ihn von hunderten anderen Berichtenden ebenfalls erhalten haben. Deshalb wird dieser Fall auch exemplarisch als Fall des Monats veröffentlicht, da wir davon ausgehen, dass sich viele Betroffene in dieser Meldung wiederfinden können.

In dem vorliegenden Bericht werden auf die folgenden zentralen Problemfelder und Herausforderungen in Zusammenhang mit Long Covid/Post Covid hingewiesen:

  • Patienten haben mehrere Anlaufstellen hinter sich, bis eine Diagnose in Zusammenhang mit Long Covid/Post Covid gestellt wurde.
  • Wenn es keine organischen Ursachen für die Symptome gibt, werden psychosomatische Störungen als Auslöser vermutet.
  • Das Stellen einer F-Diagnose stellt für alles weitere eine gewaltige Einschränkung dar.
  • Fehlendes Fachwissen und mangelnde Empathie bei behandelnden Ärztinnen und Ärzten.
  • Keine Verbesserung oder sogar Verschlechterung der Symptome durch spezielle Klinikaufenthalte t, z.B. weil Patienten zu Aktivierung (Sport und Bewegung) gedrängt werden
  • Patienten fühlen sich nicht ernst genommen und im Stich gelassen.

Folgendes wurde als besonders positiv in diesem Fall beschrieben:

  • Die Aufklärung in einer Long Covid Ambulanz (neue Informationen)
  • Die Bestimmung von bestimmten Blutwerten, die auf Post Covid hinweisen, (mehr Verständnis bei Behandelnden)
  • Die Einnahme von bestimmten Medikamenten/ Nahrungsergänzungsmitteln und Sauerstofftherapie (Verbesserungen des Gesundheitsheitszustands)

Aus den eingegangenen Berichten werden wir Empfehlungen sowohl für Patient:innen und Angehörige, als auch für Mitarbeitende  im Gesundheitswesen ableiten und zeitnah veröffentlichen.

Aktuelle Hinweise auf weitere Schritte und Initiativen:

neue Webseite des BMG die viele relevante Informationen sowie geplante weitere Schritte bezüglich Long-COVID enthält:

https://www.bmg-longcovid.de/

Artikel und eine Pressemitteilung für weitere Initiativen:

https://www.aerzteblatt.de/­nachrichten/144544/Initiative-zu-Long-COVID-soll-mehr-Unterstuetzung-fuer-Betroffene-bieten?rt=3ca303a8c­006e736e0ca45abddba8b1e

https://www.bundesgesundheits­ministerium.de/­presse/­pressemitteilungen/­bmg-initiative-long­-covid-pm-12-07-23.html

Fallbeschreibung:

Ich bin an Corona erkrankt. Ich hatte hierbei einen milden Verlauf und lediglich Halsschmerzen und Husten. Nach ca. 3 Wochen habe ich plötzlich Herzrhythmus-störungen bemerkt, und mein Herz ist permanent gestolpert.

Da ich zu dieser Zeit im Büro war, wurde der Krankenwagen gerufen. Das Fazit hierbei war, die Herzrhythmusstörungen sind zwar da, aber man findet keine Krankheit dahinter, sodass diese unbedenklich seien. Ich muss jetzt aktuell mit den Herzrhythmusstörungen leben.

Während eines Urlaubs wurde dann plötzlich meine rechte Körperhälfte taub und ich kam mit Verdacht auf einen Schlaganfall in die Klinik. Auch hier wurde nichts gefunden. Ab diesem Zeitpunkt habe ich dann festgestellt, dass mein Körper immer schwächer wurde, ich alltägliche Arbeiten nicht mehr erledigen konnte und seitdem krank-geschrieben bin.

Mein Hausarzt hat mich daraufhin in eine Klinik für Psychosomatik eingewiesen, da ich immer wieder Pulsentgleisungen hatte. Der Klinikaufenthalt war nicht erfolgreich und die Symptome wurden dort sogar schlimmer, da ich regelrecht zu Sport und Be-wegung getrieben wurde, ohne auf meine körperliche Verfassung einzugehen. Ich wurde hier als Simulant bezeichnet.

Nach dem Klinikaufenthalt habe ich einen Termin in der Long Covid Ambulanz (derselben Klinik wie der Psychosomatik). Hierbei wurden Blutwerte, die auf Post Covid hinweisen, wie bspw. Erhöhte ANA Titer etc. festgestellt. Auch die Scores für ME/CFS sowie PEM waren positiv.

Seit diesem Befund, wurde ich endlich ernst genommen und es wurde endlich auf mich eingegangen. Ich habe dazu allerdings meinen Hausarzt wechseln müssen, da der vorherige der Meinung ist, es gäbe kein Post Covid, daher habe ich auch keine Über-weisung für die Ambulanz bekommen, sondern für die Psychosomatik.

Ich denke es sollte ihnen auch bekannt sein, sobald sie die Diagnose Angststörung haben, werden sie nur noch zu 50% ernst genommen. Das habe ich sowohl bei Hausärzten als auch beim Neurologen, Kardiologen etc. erlebt. Und das ist einfach nicht richtig. Die Angststörung ist ja aus der Hilflosigkeit entstanden, da keiner wusste/ weiß woher die Symptome kommen und was sie in meinem Körper bewirken.

Ich hatte ca. 15 Aufenthalte in der Notaufnahme, da mein Herz wild durcheinander geschlagen hat, ich die derartige Schwäche überhaupt nicht kannte. Es fiel mir schwer zur Toilette zu gehen (4m) duschen ist äußerst anstrengend, kochen, einkaufen etc. überhaupt nicht möglich.

Was ist in Ihrem Fall nicht gut verlaufen?

Vieles, ich musste einfach feststellen, dass viele Ärzte das Thema Corona/ Post Covid/ LongCovid überhaupt nicht interessiert und sie sich damit auch nicht befassen möchten. Sie stellen daher eine F-Diagnose* und diese ist für alles weitere eine gewaltige Einschränkung. Sie werden hier absolut in die psychosomatische Schiene geschoben, ohne jegliche Untersuchungen zu erhalten bzw. Sie mal gründlich anzuhören.

In der Klinik die Drucksituation mich zum Sport zu zwingen und mir dann mit einem Rauswurf zu drohen war einfach eine Frechheit. Ich bin beim Sport zusammengebrochen. Wurde dann mit dem Rollstuhl aufs Zimmer gefahren.

Keiner der Ärzte Pfleger etc. hat nach mir geschaut. Ich wurde einfach liegen gelassen. Als ich dann mal nach 2 Stunden nachgefragt hatte, hieß es seitens der Ärztin, wir wissen auch nicht was los war. Ich soll mir überlegen, an was ich gedacht habe bevor ich zusammengebrochen bin.

Wäre ich nicht krank, hätte ich die Ärzte und die Klinik verklagt. Das war ein Zustand, der im Nachhinein einfach grob fahrlässig ist. Während dem Aufenthalt, habe ich natürlich versucht das ganze durchzuziehen, da ich ja wieder gesund werden wollte und einfach den Ärzten vertraut habe, dass es etwas psychosomatisch ist, was ja mittlerweile bewiesen wurde, dass es das nicht ist.

* Anm.: F-Diagnose = psychische Erkrankungen

Was war in Ihrem Fall ggf. besonders gut/positiv?

Die Aufklärung in der Long Covid Ambulanz einer Uniklinik. Hier wurde ich über einige Dinge informiert und nehme aktuell auf Empfehlung acc und bcaa. Dadurch bin ich fitter und nicht mehr so erschöpft. Ich konnte dadurch wieder anfangen zu arbeiten. Auch die Empfehlung der Nahrungsergänzungsmittel helfen mir aktuell.

Auch die IHHT führt zu einem deutlich besseren Zustand, welche ich allerdings selbst bezahlen muss. Für mein aktuelles Wohlbefinden und die Unterstützung musste ich bereits 6.500 € zahlen. Das ist auch etwas, was in der heutigen Zeit nicht sein darf. Vor allem nicht nach einer Pandemie. Man wird hier komplett alleine gelassen.

Was waren beitragende Faktoren

Eine Corona Infektion

Haben Sie noch weitere Gedanken zu Ihrem Fall, die Sie gerne mitteilen möchten?

Es kann nicht sein, dass die Politik aktuell nichts für die Patienten tut. Sie werden komplett im Stich gelassen. Es wäre die absolute Krönung, wenn die 100 Mio. für die Forschung nicht gestattet werden würden allerdings 60 Milliarden für einen Klimazonen ?.

Es ist traurig, dass ca. 3 Mio. Post Covid/ Post Vac Patienten einfach hängengelassen werden und ich kann nur darum bitten, dass hier etwas getan wird. Es betrifft nämlich nicht nur die Patienten an sich, sondern es betrifft auch die Familie, die Kinder, die Eltern etc. der Erkrankten Person.

Was könnte man aus Ihrem Fall lernen

Die Patienten, die nach einer Corona Infektion Symptome haben, die länger bestehend, nicht sofort eine F Diagnose zu stellen. Sondern versuchen den Patienten ernst zu nehmen und ihn zu unterstützen. Es gibt mittlerweile ein paar Anlaufstelle für Post Covid und hierbei muss einfach unterstützt werden.

Es gibt ja mittlerweile Methoden, welche nachweislich Besserung bringen. Gehen wir hier mal von der teuersten aus. Das ist ja aktuell die Immunapharese. Die Kosten hierfür betragen pro Sitzung ca. 5.000 €. Vergleich ich hier die Kosten für den Klinik Aufenthalt (ca. 15.000 €) welcher mir und viele anderen Patienten überhaupt nichts gebracht hat, wäre das Geld seitens der Krankenkasse in die Heilung und die Gesundheit des Patienten besser investiert gewesen.

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